MUNTERES ZÜNDEN

MUNTERES ZÜNDEN

16. Juli 2023 Allgemein Presse Veranstaltung 0

Im Jahr 2023 läuft der MZ-Cup in seiner
27. Saison und ist damit der älteste Markencup Deutschlands. Doch woher kommt die Faszination, mit alten MZs Rennen zu fahren? PS probiert’s aus!

Es ist doch logisch: Motorradrennsport kennzeichnet die Maxime „höher, schneller, weiter“. Und das Gute ist meist nicht gut genug. Klar – je besser die Technik, desto schneller sind auch die Runden- zeiten. Zumindest in der Theorie. Doch ganz ehr- lich: Moderne Tausender, die in den Fahrerlagern wie Unkraut aus dem Boden sprießen, überfor- dern beim flotten Zirkeln nicht selten sogar er- fahrene Racer – auch wenn sie es natürlich nie- mals zugeben würden. Und die Kosten? Astrono- misch. Trotzdem wird man den Eindruck nicht los, dass die Dinger der allein glücklich machen- de Spaßbringer auf dem Kringel sein müssen. Jetzt also ein Moped mit nicht einmal sechzig Pferden? Bah, das kann doch nur öde sein! Jetzt sind wir zum zweiten Mal in diesem Eingangsplä- doyer ehrlich: Brettert ein ganzes Feld positiv Verrückter mit nahezu gleichem Material und wenig Leistung um einen Kurs, ist das eine Freu- de, die ein Superbike wohl nie geben kann…

Leinen los! Direkt nach dem Start ist das Feld na- türlich nah beieinander. Doch glaubt mir: Im Rennverlauf werden keine großen  Lücken entstehen

RUND MUSSTE FAHREN, DAS IST DAS A UND O

Familienangelegenheit

Als ich von PS-Capo Johannes hörte, einen Gast- start im MZ-Cup auf meiner „Haus-und-Hof- Rennstrecke“ Oschersleben bestreiten zu dür- fen, war ich direkt Feuer und Flamme. Vor ein paar Jahren konnte ich die wilden Jungs und Mä- dels  auf dem Schleizer Dreieck begutachten und war im Nu angetan von dem engen und fairen Rennsport, den sie auf ihren fliegenden „DDR- Rennern“ zum Besten gaben. Und da jetzt selbst starten? Na aber so was von!

Sonntagabends nimmt mich Uwe Link herz- lich in Box  21 in Empfang. Uwe organisiert den Cup seit 2003 mit viel Hingabe in Eigenregie und dreht  selbst noch  höchstpersönlich ordentlich am Gas. Peu  à peu trudeln auch die anderen 27

Cuppies im Fahrerlager ein. Bei lecker Würst- chen  und Bierchen gibt es Benzingespräche en masse. Was sofort positiv auffällt:  Hier ist jeder willkommen, ein familiäres Umfeld wird hier wahrlich gelebt. Jeder kennt  jeden, jeder hilft je- dem. Trotzdem wird mir erklärt, dass es auf der Strecke kein Erbarmen geben wird – so soll’s sein! Dann  der erste Kontakt mit „meiner“ MZ Skorpion (siehe Infokasten S. 91): hat zwei Rä- der, einen Eintopf-Motor, Rennverkleidung und ein paar  Spielereien – mehr  braucht’s nicht. Elektronik oder sonstiger Schnickschnack? Ein kleines Mäusekino von Koso. Hach, so einfach, und doch so schön – fantastisch! Andre Jäger,

„Gelegenheits-Cup-Starter“, und Uwe Kaßburg, der flotte „Hauptstadtracer“ aus  dem Cup, ge- ben mir abends noch  wertvolle Tipps für das schnelle Zirkeln mit der MZ. Auch Andi Bildl,  da- mals PS-Redakteur und heute Test-und-Technik- Chef bei den Kollegen von MOTORRAD, meldet sich per Whatsapp bei mir. Er fuhr vor zwanzig Jahren schon erfolgreich im MZ-Cup. Bei allen Dreien fällt immer wieder  der Satz: „Rund muss- te fahren, Schwung ist das A und O – sonst ver- hungerst du kläglich!“ Dann  wollen wir mal!

Das Runde muss ins Eck

Montagmorgens, erstes Training. Ich räubere mit der MZ um die Piste und gewöhne mich an die, sagen wir, geringe Leistung. Alle Bremspunkte, die ich in Oschersleben kenne, verschieben sich glatt um hundert Meter oder verschwinden ganz. Nachdem ich den Dreh mit der MZ einigermaßen raus habe, fliegen auf einmal die ganz Flotten
aus dem Cup wie Mario Wilhelm, Benjamin Schu- mann oder Thomas Hörburger regelrecht an mir vorbei. Mit fast schon unglaublichem Kurven- speed durchschneiden sie die Dreifach-Links, ohne vom Gas zu gehen, oder nehmen mörder- mäßig viel Schwung aus dem Shell-S mit – boah! Das meinten also Andre, Andi und Uwe mit „rund fahren“! Den absoluten Vogel schießt aber Nach- wuchstalent Luca Göttlicher ab, der auch als Gaststarter mit an Bord ist: In der Hasseröder- Kurve zieht er, den Ellenbogen auf den Asphalt geklebt, außen an mir vorbei. Im Qualifying brennt „Lucky Luc“ dann eine sagenhafte 1:41,1 in den Teer und holt sich die Pole Position. Mit 55 PS und (ur-)alter Technik – absolut irre! Meine Zeit reicht immerhin für P14 von 28 Startern, da- mit bin ich zufrieden.

Links: Gaststarter un- ter sich, aber in völlig anderen  Sphären: Luca Göttlicher  (#99) siegt souverän – was ein schneller Bub! Unten: Duell mit Uwe Kaß- burg. In die Lücke wird noch hineingezogen …
Links: Uwe Kaßburg hat mich im Rennen knapp geschlagen. Sein schelmisches Grinsen unter dem Helm werde ich wohl nie vergessen. Unten: Für die Top Ten gibt es schicke Pokale. Cup-Koordinator Uwe Link (ganz  rechts) ist immer mit von der Partie

MEHRMALS SCHREIE ICH „IST  DAS  GEILIN MEINEN HELM

Was ist schon die Moto3?

Endlich das erste Rennen: Wie üblich verhaue ich die Startphase komplett und verliere beim Lostuckern mehrere Positionen. Schritt für Schritt erkämpfe ich mir die verlorenen Plätze zurück. Hierbei entwickelt der MZ-Cup dann sei- ne Faszination und lässt das Grinsen unter dem Helm größer und größer werden. Warum? Man- gels, oder vielmehr durch gleiche Motorleistung fährt niemand „einfach mal so“ weg. Windschat- tenfahren und knallhartes Ausbremsen bekom- men eine völlig neue Bedeutung. Zu viert neben- einander auf einen Bremspunkt pfeffern? Ganz normal! Jede noch so kleine Lücke nutzen? Standard! Man fühlt sich wie in der Moto3, über- holen und überholt werden ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Trotzdem geht es dabei un- fassbar fair zu, jeder lässt sich genügend Luft zum Überleben. So soll Rennsport sein, nicht nur einmal schreie ich während des Rennens „IST DAS GEIL!“ in meinen Helm. In der zweiten Run- de habe ich mich an Uwe Kaßburg herangerobbt – er führt die Verfolgergruppe zur Spitze an, die sich schon ein wenig absetzen konnte. Mit Uwe führe ich dann bis zum Schluss den wohl intensivsten Positionskampf, den ich in ei- nem Rennen jemals hatte. Immer wieder wech- seln wir die Positionen, wedeln synchron, teilwei- se mit nur wenigen Zentimetern Abstand, durch die Motorsportarena und schenken uns nichts. Dabei kommt zu keinem Moment ein Gefühl von Unbehagen auf, denn hier brilliert die MZ: Da es nie unangenehm schnell wird, ist Reagieren im- mer möglich. Man hat die MZ stets unter Kont- rolle und fühlt sich so sicher, dass selbst die ver- rücktesten Linien oder bis dato unmöglich er- scheinende Überholmanöver machbar sind. Ich gebe alles, doch am Ende hat Uwe dann um ein paar Hundertstel die Nase vorn – Mist! Am Ende springt Platz 14 heraus. Das Ergebnis ist aber nebensächlich, denn im MZ-Cup steht Motor- sport mit Herz, Seele und Leidenschaft im Vor- dergrund. 55 PS – hier reicht das für den ganz großen Racing-Spaß vollkommen aus.

 

Das Einsatzgerät

MZ SKORPION/DIE  „NUMMER 70“
Im MZ-Cup dürfen ausschließlich MZ Skorpion an den Start gehen. Die
Skorpion rollte von 1994 bis 2002 aus den Werkshallen in Zschopau und
wird von einem nahezu unzerstörbaren Yamaha-Einzylinder-Motor mit
660 Kubik und etwa 48 PS angetrieben. Das ursprüngliche Reglement
des Cups erlaubte nur wenig Änderungen an den Motorrädern. Doch in
den letzten Jahren wurde das Reglement, auch aufgrund von Produkti-
onseinstellungen von Ersatzteilen, entschlackt. Trotzdem ist bis heute
großes Motortuning (maximal 55 PS) nicht erlaubt. Niedrige Kosten und
Chancengleichheit, auch durch Bridgestone-Einheitsreifen (R11), sind
wichtige Bausteine des Cups. Im Cup stehen Gaststartern einige MZs
„zur Verfügung“, wie die Skorpion mit der Startnummer 70. Die „Num-
mer 70“ ist das ehemalige MZ-Meistermotorrad von Toni König und wird
heute von Teamkollege Ronny „Lohri“ Wünsche aus dem TK911-Team
gehegt, gepflegt, eingesetzt oder als Gaststartmoped vorbereitet. Die
rein weiße Skorpion läuft wie eine Eins und verfügt über Leckerbissen
wie eine Brembo-Corsa-Corta-Bremspumpe, Wilbers-Federbein und
Gabelinnereien von YSS. Gaststarts oder die Teilnahme an einer vollen
Saison sind immer möglich, mehr Informationen unter www.mzcup.de

Braap-Braap: Ein Sport- auspuff der Firma Domina- tor sorgt für kernigen Einzylindersound und ein bisschen weniger Gewicht

 

Das Federbein kommt von Wilbers, der Ausgleichsbehälter mit Einstellern  sitzt  rechts- seitig am Rahmen

Digitalisie- rung olé! Ein Mäusekino von Koso gibt dem Fahrer alle wichtigen Informatio- nen. Als Laptimer  dient
ein altes  Smartphone, das dann oberhalb in der Halterung steckt
Eine feine und edle Brembo-Corsa-Corta- Bremspumpe sorgt für mächtigen Bremsdruck. Fading oder wandernder Druckpunkt? Fremdwörter

©Text: Mario Steffen
©Foto: pixelrace, Mario Steffen

PS Motorsportausgabe 7-23