MUNTERES ZÜNDEN
Im Jahr 2023 läuft der MZ-Cup in seiner
27. Saison und ist damit der älteste Markencup Deutschlands. Doch woher kommt die Faszination, mit alten MZs Rennen zu fahren? PS probiert’s aus!
Es ist doch logisch: Motorradrennsport kennzeichnet die Maxime „höher, schneller, weiter“. Und das Gute ist meist nicht gut genug. Klar – je besser die Technik, desto schneller sind auch die Runden- zeiten. Zumindest in der Theorie. Doch ganz ehr- lich: Moderne Tausender, die in den Fahrerlagern wie Unkraut aus dem Boden sprießen, überfor- dern beim flotten Zirkeln nicht selten sogar er- fahrene Racer – auch wenn sie es natürlich nie- mals zugeben würden. Und die Kosten? Astrono- misch. Trotzdem wird man den Eindruck nicht los, dass die Dinger der allein glücklich machen- de Spaßbringer auf dem Kringel sein müssen. Jetzt also ein Moped mit nicht einmal sechzig Pferden? Bah, das kann doch nur öde sein! Jetzt sind wir zum zweiten Mal in diesem Eingangsplä- doyer ehrlich: Brettert ein ganzes Feld positiv Verrückter mit nahezu gleichem Material und wenig Leistung um einen Kurs, ist das eine Freu- de, die ein Superbike wohl nie geben kann…
RUND MUSSTE FAHREN, DAS IST DAS A UND O
Familienangelegenheit
Als ich von PS-Capo Johannes hörte, einen Gast- start im MZ-Cup auf meiner „Haus-und-Hof- Rennstrecke“ Oschersleben bestreiten zu dür- fen, war ich direkt Feuer und Flamme. Vor ein paar Jahren konnte ich die wilden Jungs und Mä- dels auf dem Schleizer Dreieck begutachten und war im Nu angetan von dem engen und fairen Rennsport, den sie auf ihren fliegenden „DDR- Rennern“ zum Besten gaben. Und da jetzt selbst starten? Na aber so was von!
Sonntagabends nimmt mich Uwe Link herz- lich in Box 21 in Empfang. Uwe organisiert den Cup seit 2003 mit viel Hingabe in Eigenregie und dreht selbst noch höchstpersönlich ordentlich am Gas. Peu à peu trudeln auch die anderen 27
Cuppies im Fahrerlager ein. Bei lecker Würst- chen und Bierchen gibt es Benzingespräche en masse. Was sofort positiv auffällt: Hier ist jeder willkommen, ein familiäres Umfeld wird hier wahrlich gelebt. Jeder kennt jeden, jeder hilft je- dem. Trotzdem wird mir erklärt, dass es auf der Strecke kein Erbarmen geben wird – so soll’s sein! Dann der erste Kontakt mit „meiner“ MZ Skorpion (siehe Infokasten S. 91): hat zwei Rä- der, einen Eintopf-Motor, Rennverkleidung und ein paar Spielereien – mehr braucht’s nicht. Elektronik oder sonstiger Schnickschnack? Ein kleines Mäusekino von Koso. Hach, so einfach, und doch so schön – fantastisch! Andre Jäger,
„Gelegenheits-Cup-Starter“, und Uwe Kaßburg, der flotte „Hauptstadtracer“ aus dem Cup, ge- ben mir abends noch wertvolle Tipps für das schnelle Zirkeln mit der MZ. Auch Andi Bildl, da- mals PS-Redakteur und heute Test-und-Technik- Chef bei den Kollegen von MOTORRAD, meldet sich per Whatsapp bei mir. Er fuhr vor zwanzig Jahren schon erfolgreich im MZ-Cup. Bei allen Dreien fällt immer wieder der Satz: „Rund muss- te fahren, Schwung ist das A und O – sonst ver- hungerst du kläglich!“ Dann wollen wir mal!
Das Runde muss ins Eck
Montagmorgens, erstes Training. Ich räubere mit der MZ um die Piste und gewöhne mich an die, sagen wir, geringe Leistung. Alle Bremspunkte, die ich in Oschersleben kenne, verschieben sich glatt um hundert Meter oder verschwinden ganz. Nachdem ich den Dreh mit der MZ einigermaßen raus habe, fliegen auf einmal die ganz Flotten
aus dem Cup wie Mario Wilhelm, Benjamin Schu- mann oder Thomas Hörburger regelrecht an mir vorbei. Mit fast schon unglaublichem Kurven- speed durchschneiden sie die Dreifach-Links, ohne vom Gas zu gehen, oder nehmen mörder- mäßig viel Schwung aus dem Shell-S mit – boah! Das meinten also Andre, Andi und Uwe mit „rund fahren“! Den absoluten Vogel schießt aber Nach- wuchstalent Luca Göttlicher ab, der auch als Gaststarter mit an Bord ist: In der Hasseröder- Kurve zieht er, den Ellenbogen auf den Asphalt geklebt, außen an mir vorbei. Im Qualifying brennt „Lucky Luc“ dann eine sagenhafte 1:41,1 in den Teer und holt sich die Pole Position. Mit 55 PS und (ur-)alter Technik – absolut irre! Meine Zeit reicht immerhin für P14 von 28 Startern, da- mit bin ich zufrieden.
MEHRMALS SCHREIE ICH „IST DAS GEIL“IN MEINEN HELM
Was ist schon die Moto3?
Endlich das erste Rennen: Wie üblich verhaue ich die Startphase komplett und verliere beim Lostuckern mehrere Positionen. Schritt für Schritt erkämpfe ich mir die verlorenen Plätze zurück. Hierbei entwickelt der MZ-Cup dann sei- ne Faszination und lässt das Grinsen unter dem Helm größer und größer werden. Warum? Man- gels, oder vielmehr durch gleiche Motorleistung fährt niemand „einfach mal so“ weg. Windschat- tenfahren und knallhartes Ausbremsen bekom- men eine völlig neue Bedeutung. Zu viert neben- einander auf einen Bremspunkt pfeffern? Ganz normal! Jede noch so kleine Lücke nutzen? Standard! Man fühlt sich wie in der Moto3, über- holen und überholt werden ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Trotzdem geht es dabei un- fassbar fair zu, jeder lässt sich genügend Luft zum Überleben. So soll Rennsport sein, nicht nur einmal schreie ich während des Rennens „IST DAS GEIL!“ in meinen Helm. In der zweiten Run- de habe ich mich an Uwe Kaßburg herangerobbt – er führt die Verfolgergruppe zur Spitze an, die sich schon ein wenig absetzen konnte. Mit Uwe führe ich dann bis zum Schluss den wohl intensivsten Positionskampf, den ich in ei- nem Rennen jemals hatte. Immer wieder wech- seln wir die Positionen, wedeln synchron, teilwei- se mit nur wenigen Zentimetern Abstand, durch die Motorsportarena und schenken uns nichts. Dabei kommt zu keinem Moment ein Gefühl von Unbehagen auf, denn hier brilliert die MZ: Da es nie unangenehm schnell wird, ist Reagieren im- mer möglich. Man hat die MZ stets unter Kont- rolle und fühlt sich so sicher, dass selbst die ver- rücktesten Linien oder bis dato unmöglich er- scheinende Überholmanöver machbar sind. Ich gebe alles, doch am Ende hat Uwe dann um ein paar Hundertstel die Nase vorn – Mist! Am Ende springt Platz 14 heraus. Das Ergebnis ist aber nebensächlich, denn im MZ-Cup steht Motor- sport mit Herz, Seele und Leidenschaft im Vor- dergrund. 55 PS – hier reicht das für den ganz großen Racing-Spaß vollkommen aus.
Das Einsatzgerät
Braap-Braap: Ein Sport- auspuff der Firma Domina- tor sorgt für kernigen Einzylindersound und ein bisschen weniger Gewicht
©Text: Mario Steffen
©Foto: pixelrace, Mario Steffen
PS Motorsportausgabe 7-23
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